
Einer meiner Lieblingsorte: die Sitzbank unter dieser mächtigen Linde, vor allem dann, wenn sie blüht.
Von allen Blütendüften ist mir derjenige der Linden der Liebste.
Es gibt ja so viel über diese geschichtsträchtige Baumart zu berichten.
Kürzlich am Waldrand, nahm ich zwei Dinge gleichzeitig war: Einen unglaublich schönen Klangteppich von summenden Insekten und zugleich eine wahrlich himmlische Duftwolke. Ein Blick nach oben bestätigte meine Vermutung: Ich stand just unter einer Linde (Tilia) in voller Blütenpracht.
Nun, am Allerschönsten, das ist für mich ganz klar, ist die Linde als Solitärbaum, freistehend, inmitten der Landschaft, wo sie sich ungehindert in ihrer ganzen Pracht entfalten kann. Davon gibt es in meiner Gemeinde gleich mehrere.


Diese hier steht mitten im Dorf und zu ihren Füssen ein Bildstöckli mit einem Bildnis der Hl. Maria (nachfolgendes Bild). Nach der Christianisierung wurden aus den alten Freya-Linden Maria Linden, «die einzigen Baumheiligtümer, die bis in unsere Zeit überlebten». Vor dem Christentum verehrten die Germanen in der Linde nämlich Freya, die Göttin der Liebe und des Glücks, sowie der Fruchtbarkeit «und des guten Hausstandes».
Unter diesen mächtigen, alten Linden, haben sich von alters her die Generationen zu allerlei Feierlichkeiten und zum Tanz versammelt. Die Linde war in alter Zeit das, was heute eine Mehrzweckhalle ist, oder modern gesagt: eine Eventlocation. Unter Linden erfuhr man in so mancher Gegend aber auch das Neueste, zum Beispiel wenn amtliche Bekanntmachungen vorgelesen worden sind.


Zudem wurde unter Linden das «Judicium sub tilia«, das «Gericht unter den Linden abgehalten. Davon berichten viele alte Urkunden.
Es wurde geglaubt, dass die Linde – ein in damaligen Zeiten als heilig verehrter Baum – bewirken könne, dass die «reine Wahrheit ans Licht käme». Die Rechtssprechung unter Bäumen hat eine lange Geschichte, die sich in vielen Kulturen findet und sogar bereits im Alten Testament erwähnt wird
Nun aber nochmals zurück zum Tanz unter den Linden: Einige Linden wurden in Stufen geschnitten, so, dass die Tanzplattform direkt in das Geäst des Baumes verlegt werden konnte. Hölzerne Gerüste stützten die tragenden Äste und sorgten dafür, dass die Tanzlustigen nicht plötzlich wegen Astbruchs herunterpurzelten. In Deutschland existieren noch heute solche ehemaligen Tanzlinden mit einem ausgebauten Tanzparkett im «Obergeschoss». Im Internet findet ihr beeindruckende Bilder davon, zum Beispiel von der Tanzlinde in Peesten: https://de.wikipedia.org/wiki/Tanzlinde_(Peesten)


Nicht weiter verwunderlich, dass solche alten Tanzlinden noch heute zu finden sind, denn Linden können sehr alt werden. Doris Laudert schreibt dazu in ihrem Buch «Mythos Baum»: «Vom Wachstum der Linde sagt man, sie komme 300 Jahre, stehe 300 Jahre und vergehe weitere 300 Jahre.» Da die Linde keine fäulnisresistente Gerbstoffe einlagert, wie die Eiche, wird sie über die Jahrhunderte hinweg von innen heraus morsch.
Laudert schreibt weiter: «Als die Klimabedingungen in Mitteleuropa während der sogenannten «Wärmezeit» (etwa 4000 v. Chr.) günstiger waren, zählte die Linde noch zu den Hauptbaumarten der damaligen Wälder.» Von den weltweit ungefähr 50 Lindenarten, kennen wir bei uns in Mitteleuropa die Sommerlinde (Tilia platyphyllos) sowie die Winterlinde (Tilia cordata). Während letztere bereits von Anfang Juni an blüht, beginnt die Blüte der Sommerlinde ungefähr zwei Wochen später. Weitere Unterscheidungsmerkmale finden sich bei den Blättern.


Dies ist die typische Blattunterseite der Winterlinde (T. cordata). Im Winter trägt man warme CORD-Hosen. So merke ich mir das, denn auf der blau-gräulichen Unterseite des Winterlindenblattes sind deutlich bräunliche Achselbüschelchen bei den Blattnerven sichtbar. Diese fehlen beim Sommerlindenblatt. Zudem ist das Blatt der Winterlinde etwas kleiner als das der Sommerlinde und auf der Oberseite nicht flaumig behaart.
Hier zum Vergleich noch die Unterseite eines Sommerlindenblattes. Ihm fehlen die bräunlichen Achselbüschelchen der Blattnerven, zudem ist es etwas grösser, als das Winterlindenblatt. Auf der Oberseite ist das Sommerlindenblatt flaumig behaart und weist eine ausgeprägtere Herzform auf.
Weitere Vergleichsbilder findet ihr am Schluss in der Galerie.


Es ist nun auch für mich wieder Zeit, meine Lindenblütenteevorräte für die Wintermonate zu erneuern. Ich verwende die Lindenblüten ähnlich wie die Holunderblüten bei grippalen Infekten.
Ihre enthaltenen Glykoside verleihen den Lindenblüten eine ähnliche Wirkung wie die Holunderblüten: schweisstreibend, krampfstillend, schleimlösend.
Quellen: Doris Laudert «Mythos Baum», Wikipedia und Eidg. Forschungsanstalt WSL





