Misteln – wir verbinden diese kugeligen, auf Bäumen wachsenden Gebilde vor allem mit der Weihnachtszeit. Das kommt vielleicht daher, dass just in dieser Zeit, während der Saftruhe der Holzschlag stattfindet und daher der Mensch besonders gut an Misteln herankommt. So bekam auch ich letzte Woche von einem Nachbarn einen wunderschönen Mistelbuschen geschenkt, den er vom Holzen im Wald heimgebracht hat.
Ich habe die Misteln (Viscum) oberhalb dem Winterquartier der Zwerge, bei der Türe am Eingang aufgehängt und einigen (englischen) Traditionen zufolge, sollte man sich nun darunter küssen. Eine betagte Frau hat mir vor vielen Jahren einst gesagt, dass die Mistel ihre besonderen Kräfte jedoch nur dann behalte, wenn sie den Boden nicht berührt habe. Was nicht heisst, dass ich einem Druiden gleich, in einer Vollmondnacht, mit einem langen weissen Gewand bekleidet und einer goldenen Sichel, die Misteln von den Bäumen schneide.
In der blattlosen Zeit des Winters, sehen wir vor allem die Laubholz-Misteln (Viscum album ssp. album) besonders gut. Sie wachsen auf sehr vielen verschiedenen Wirtsbäumen, darunter Pappeln, Obstbäume, Birken oder Linden. Zwei weitere – der drei einheimischen Mistelarten – sind die Tannen-Mistel (Viscum album ssp. abietis), auf Weisstannen/Abies alba) wachsend und die Föhren-Mistel (Viscum album ssp. austriacum) auf den Wirtsbäumen Waldföhren/Pinus sylvestris und Fichten/Picea abies.
«Gepflanzt» werden sie unter anderem vom Federvolk: Ein Vogel, zum Beispiel die Misteldrossel, verköstigt sich an den Mistelbeeren. Doch mit der Zeit wird das klebrig-schleimige Fruchtfleisch, das am Schnabel haften bleibt, lästig und sie streift es an einem Ast ab. Stimmen die Bedingungen, keimt nun ein in diesen Beerenresten befindlicher Same und treibt Würzelchen ins Holz des Baumes. Sie dringen schliesslich bis zu seinen Leitbahnen vor und zapfen dort Wasser ab.
Weitere Abnehmerinnen der Mistelbeeren sind neben vielen anderen auch Stare und Mönchsgrasmücken.
Es gibt noch eine weitere Art, wie sich die Mistel (stark) vermehren kann: das «Abtropfen» von Samen auf dem Wirtsbaum. Der Nabu Steinfels schreibt dazu: «Dazu platzen die Beeren im Winterhalbjahr auf und entleeren eine spezielle klebrige Substanz, die sich zu langen Fäden entrollt, an denen die Samen wie an einer Kette oder in einer Seilschaft baumeln und aus der Baumkrone herabhängen. Diese Mistelschnüre breiten sich innerhalb eines Baumes oder per Wind auch auf Nachbarbäume aus und finden dank der Haftfähigkeit guten Halt auf Ästen und Zweigen.»
Die Mistel ist eine Halbschmarotzerin. Sie kann zwar dank ihrem in den Stängeln und Blättern befindlichen Blattgrün (Chlorophyll) Photosynthese betreiben und sich damit zu einem Teil selber «ernähren». Die restlichen lebensnotwendigen Nährstoffe sowie das Wasser, entnimmt sie hingegen über ihre Wurzeln dem Wirtsbaum.
Im Obstanbau ist die Mistel nicht gerne gesehen, da sie die Bäume schwächt und zu Ertragseinbussen führt. Unter einem zu grossen Misteldruck kann ein Baum auch absterben. Tipps zur Mistel im Obstanbau gibt hier der NABU Steinfels: https://www.nabu-sternenfels.net/misteln-und-obstb%C3%A4ume/
Jetzt, zur Zeit der Beerenreife, in den Monaten November und Dezember, könnt ihr am Waldboden auf gelbgrün schleimige Gebilde stossen. Es handelt sich dabei um hochgewürgte Mistelbeeren. Ich habe mal gelesen, dass beispielsweise hungrige junge und unerfahrene Raben gerne mal zuviel davon fressen. In der Folge bildet der Kropf eine Art Abwehrschleim und die ganze Chose werde schliesslich durch einen Reflex herausgewürgt. Erbrochene Mistelbeeren können aber auch von anderen «Abnehmern» stammen, beispielsweise von Dachsen, Füchsen oder Mardern, welche heruntergefallene Beeren fressen.
Übrigens: Misteln können über 50 Jahre alt werden! Es gibt eine Methode, wie ihr herausfinden könnt, wie alt eine Mistel ist:
Am Ende eines Zweiges sitzen sich jeweils zwei Blätter gegenüber. Diese fallen jedes Jahr ab, wenn sich eine neue Verzweigung bildet. Möchtet ihr also das Alter einer Mistel herausfinden, braucht ihr nur die Anzahl Verzweigungsstellen zu zählen.