Von Bettlaub und Bettlaubsäcken

Noch bis in die frühen 1960-er Jahre schliefen in einigen Regionen vor allem ärmere Familien, die sich die neumodischen Matratzen nicht leisten konnten, auf Bettlaubsäcken.

Im Rahmen einer Studie als Oral-History-Projekt, welches sich regional auf die «Buchenwaldgemeinden» des St. Galler Rheintals beschränkte, wurden Zeitzeugen in Interviews befragt. Aus diesem Grund weiss man heute noch viel über die einstige Nutzung des Laubes als Füllmaterial für Bettlaubsäcke.

Spätestens jetzt, während einer Föhnlage, zwischen Ende Oktober und anfangs November, die mit ihren Sturmwinden den Laubfall mit sich brachte und die Blätter trocknete, machten sich ganze Dörfer, vom Kind bis zur Urgrossmutter, auf den Weg in die Buchenwälder, ausgerüstet mit Säcken, Rechen, Besen und verschiedenen Transportmitteln.

In den Berggemeinden Sax, Sennwald und Frümsen, die sehr viel Buchenwald besitzen, durften die Ortsbürger an Tagen, an denen «s’Looba» offen war und somit von den Behörden erlaubt, in die Wälder ausschwärmen, um Laub für das Erneuern ihrer Bettlaubsäcke zu sammeln. Bei den einen erfolgte diese Erneuerung jährlich, bei anderen jedes zweite Jahr.

Was muss das für eine Freude gewesen sein, nicht mehr auf staubenden Säcken mit tiefen Mulden und mehligen Klumpen, die sich aus dem zerbröselten Laub gebildet hatten, schlafen zu müssen. Sondern auf fein duftenden, prall gefüllten frischen Bettlaubsäcken. Die waren am Anfang so gross und hoch, dass so manch einer einen Schemel nehmen musste, um sie erklimmen zu können. Und nicht selten kam es vor, dass nachts jemand hinunter «troled» (gepurzelt) ist und ein böses Erwachen auf dem harten, kalten Dielenboden erlebte.

Der Inhalt der ausgedienten Laubsäcke wurde zuerst noch als Einstreu im Stall verwendet (Bild), bevor er dann letztlich auf dem Miststock landete. Die leeren Säcke wurden nach dem Waschen getrocknet und im Schrank aufbewahrt, bis zu deren weiteren Verwendung in ein oder zwei Jahren.

Auch damals gab es Jahre, in welchen das Wetter das Lauben schlicht verunmöglichte: der Föhn blieb aus, es war zu nass, oder was auch immer, und man sah sich gezwungen noch ein weiteres Jahr auf dem durchgelegenen Laubsack zu schlafen. Einige legten sich jedoch für diesen Fall Bettlaubsackvorräte an und hängten diese – geschützt vor Mäusen – entlang der Wände auf, wo sie gleich noch der Isolation des Hauses dienten.

Das war übrigens auch der Grund, warum selbst ich als Kind mit meinem Grossvater in den 60-er Jahren um diese Jahreszeit in den Wald ging und Jutesäcke mit Buchenlaub gefüllt hatte. Wir stopften sie auf dem Dachboden in den Dachschrägen unter die Balken, um für eine bessere Isolation zu sorgen. Auch damals wurden Laubvorräte ebenfalls in einem Laubloch unter dem Dach verstaut, oder in sogenannten «Pfnillen«, einen Raum unter dem Dach.

Wie bereits erwähnt, war das Lauben stark reglementiert, dies vor allem zum Schutz des Waldes, um ihn zu schonen, aber auch der Gerechtigkeit halber. So wurden die Kreise der berechtigten Personen (nur für Ortsbürger), der Ort, die Sammelzeit und die erlaubten Werkzeuge stark eingeschränkt. Bereits 1888 hielt ein Forstreglement fest, dass lediglich Besen für das Sammeln von Laub gestattet sind. Eiserne und selbst hölzerne Rechen waren verboten, weil diese insbesondere in verjüngenden Flächen (Aufforstungen) die Keimung der Jungbäume beeinträchtigen könnten. Später wurde mancherorts die Laubung auf die Nutzung von Mulden und Wegen beschränkt, damit dem Wald nicht zuviel Biomasse entnommen wurde.

Ein Bett von damals war ausgestattet mit einem Bettlaubsack als Matratze, Barchent-Oberleintücher, einer Wolldecke, einem Kirschsteinsack, der auf dem Kachelofen vorgewärmt wurde und dem Federbett (Ballon-Daunendecke). Das war auch nötig im Winter, denn die Schlafräume wurden ja damals nicht beheizt und so zierten am Morgen zauberhafte Eisblumen die Fensterscheiben. Nun, auch wenn ich unsere Schlafräume ebenfalls nie beheize, so isolieren die heutigen Scheiben doch so gut, dass sich keine Eisblumen darauf bilden.

Zur Laubwahl: Wo es keine oder zu wenig Buchen hatte, wurde auch Ahornlaub verwendet; warum Eichenlaub eher unbeliebt war, weiss ich nicht, hingegen schätzte man beim Nusslaub die langen Stiele nicht, die pieksten nachts. Damit nichts den Schlaf stören konnte, war es hauptsächlich die Aufgabe der Kinder, beim Lauben kleine Ästchen und alles, was einem «tüüfa gsündä» (tiefen, gesunden) Schlaf abträglich war, herauszulesen.

Je nachdem, was gerade vorhanden war, wurden je nach Region auch andere Materialien anstelle von Bettlaub für die Füllung der Matratzen verwendet. Davon zeugen die zahlreichen Rückmeldungen respektive Kommentare auf Facebook, wo ich diesen Beitrag auf der gleichnamigen Seite (Natur-Tagebuch) ebenfalls veröffentlichte:

Es zeigt sich: Entscheidend war stets, was vor Ort gerade vorhanden war, ob es beispielsweise Laubbäume gab oder nicht, ob man in den Bergen oberhalb der Baumgrenze oder an einem See wohnte. So wurden unter anderem als weitere Matratzenfüllmaterialien genannt:

Farn, Streu/Stroh, Rosshaare (nach der Schur von Brauereipferden beispielsweise), die Zittergras-Segge/Carex brizoides), Maisblätter/Maislaschen, Riedgras oder Seegras.

Hier könnt ihr die Erzählungen von Zeitzeugen nachlesen/hören, die im Rahmen des erwähnten Oral-History-Projekts aufgenommen worden sind: https://www.doazmol.ch/bett-laub

Übrigens: Heute, an diesem verregneten, teilweise sogar verschneiten Tag, bin ich mit dem Herstellen meiner Wallwurz-Fichtenharz-Salben beschäftigt. Die ersten wurden bereits gestern abgeholt. Morgen werde ich wohl mit den Bestellungen durch sein. Ich wünschte, ihr könntet den feinen Duft in der Stube von Harz und Bienenwachs ebenfalls riechen.

Die Aufnahmen von den Schlafzimmern von anno dazumals und dem Stall mit Laubeinstreu, entstanden übrigens anlässlich meines Besuches im Freilichtmuseum Ballenberg. Die Informationen zum Bettlauben erhielt ich zum Einen von meinen Grosseltern, aber auch vom im Beitrag genannten Oral History Projekt.

Ein Kommentar bei: “Von Bettlaub und Bettlaubsäcken

  1. ich mag mich errinere als chli chind wie oisi nachbars frauen im frühelig matrazze mit rosshaar wieder uffülten und mit e risigi nadle wieder zuhenähten und statt steisäckli hängte mini grossmutter mitemene gschtell und innere kohlepfanne vom ofe glüheholz zum wärme unterem lientuch im bett und als er warm war schlüpftemer mier drei schwester und grossmueter im gliche bett❤️

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