Wahrlich, es ist verschrien heutzutage, das Einjährige Berufkraut (Erigeron annuus), als invasiver Neophyt, der die heimische Flora verdrängt. Doch dies ist heute nicht mein Thema, sondern die Berufs- und Beschreikräuter im Allgemeinen. Sie wurden vom Volke bereits seit vorchristlicher Zeit wider Allerlei eingesetzt, was Mensch und Vieh Schaden zufügen kann.
Mein heutiger Beitrag basiert auf den Quellen teils sehr alter Bücher, beispielsweise dem Nachdruck einer Schrift von Dr. Moritz Kronfeld («Donnerwurz und Mäuseaugen» – Zauberpflanzen und Amulette in der Volksmedizin) aus dem Jahre 1898, oder das Buch über «Liebes- Heil- und Giftkräuter» von Gerd und Marlene Haerkötter (1986). Übrigens ist es kein «Verbrechen», wenn ihr Berufskraut mit S schreibt. In allen alten Büchern und Schriften die mir vorliegen, wird es in Zusammenhang mit «berufen» und «beschreien» stets mit S geschrieben, erst in der neueren Zeit wird es ohne S geschrieben.
Kronfeld schreibt im Jahr 1898 Folgendes: «Wider den schlimmen Zauber des «Berufens», Beschreiens» oder «Verschreiens», ebenso gegen den «bösen Blick» werden mehrere Kräuter angewendet, die geradezu Berufs- oder Beschreikräuter heissen». Das Einjährige Berufkraut (Erigeron annuus) ist beispielsweise so eine Pflanze, die den Begriff des Berufens sogar im Namen trägt, oder das Scharfe/Echte Berufkraut (Erigeron acer).
Gemäss Haerkötter dienten die Berufs- und Beschreikräuter vor allem dem Schutz kleiner Kinder, die aufgrund des damaligen Volksglaubens dem «Treiben der Hexen» in verstärktem Masse ausgesetzt waren. Stellt euch vor, das Baby schreit als Beispiel einfach monatelang, fast ohne Unterlass, trotz aller Bemühungen und ohne sichtbare Krankheitsanzeichen und ihr verfügt noch nicht über das heutige Wissen betreffend der «Dreimonatskoliken» (über die man übrigens auch heute noch teilweise im Dunkeln ist). Die Eltern waren ohne dieses heutige Wissen natürlich sehr beunruhigt und es konnten nach damaliger Vorstellung einfach nur die bösen Hexen sein, die ihre Kinder plagten. Dasselbe beim Vieh, wenn eine Kuh einfach keine Milch mehr geben wollte, auch da war man überzeugt, dass Hexen ihre Hand im Spiel hatten. Für alles, was man sich nicht erklären konnte, mussten der Teufel oder eine Hexe herhalten. So gab es zahlreiche Zaubermittel wider solches böse Hexentreiben, eben die Berufs- und Beschreikräuter, wie Frauenflachs (Linaria vulgaris), Ziest (Stachys rectus), Sumpfgarbe (Achilleaptarmico) oder das Echte/Scharfe Berufskraut (Erigeron acer) und viele andere mehr, die den Namen «Beruf(s)» im Namen tragen.
Kinder die als «berufen» oder «beschrien» galten, wurden in einem Auszug der aufgeführten Kräuter gebadet, um den Zauber zu brechen. Auch Kronfeld schreibt dazu: «Erigeron acre, Beufskraut, Dauron: Hat nach einem alten Pflanzenkenner den Namen daher, «weil die Kinder, so man wegen ihres Abnehmens vor beschrien hält», damit gebadet…». Auch wurde das Kraut nicht nur zur Abwehr bösen Zaubers Kindern in die Wiege gelegt, sondern zudem «gegen Wetterschäden und gegen das Verhexen oder Beschreien des Viehs an die Stalltüre gesteckt».
Es werden in den alten Büchern noch viele andere Pflanzen aufgeführt, deren Kräfte Mensch und Vieh vor Hexen und dem Teufel zu beschützen vermochten, ober aber vor schweren Unwettern. Zu den eingangs erwähnten gehören ergänzend dazu beispielswiese auch der Wacholder, Teufelsabbis (Succisa pratensis), Allermansharnisch (Allium victorialis) und der Quendel/Thymian, wie auch die abgebildete Kohldistel (Cirsium oleraceum), Beifuss (Artemisia vulgaris), Eisenkraut (Verbena officinalis) und viele mehr.
Die einen von euch mögen ob all dem im Jahr 2024 den Kopf schütteln und lachen, doch muss man Solches stets im Kontext der damaligen Zeit betrachten: Ohne das Wissen, über das wir heute verfügen, die Mittel, Krankheiten präventiv fernzuhalten und zu behandeln, ohne Ärzte und gesundheitliche Dienste, wie wir sie heute in Anspruch nehmen können.
Übrigens: Trotz all unseres Fortschritts und vermeintlichen Allwissens; es gibt – – für mich persönlich – auch heute noch zwischen Himmel und Erde mehr als das, was wir sehen und (be-)greifen können.
(Bilder Galerie: Oberwallis, mit Spuren allerlei alten Volksglaubens und Gebäuden, die aus einer anderen (Vor-)Zeit stammen.)