
Mein kürzlicher Gang auf den Dachboden hat mich wieder einmal mehr zu Staunen veranlasst:
In der Töpferwerkstatt der Orientalischen Mauerwespe wurde im vergangenen Jahr nämlich wieder ordentlich gearbeitet. Das Material für die Brutzellen, also die Tontöpfchen, findet die fleissige Grabwespenart in der Umgebung in grosser Menge: Lehm.
Ein Dachboden, wie der unsrige, ist ein perfekter Ort für die Nester der Orientalischen Mauer- respektive Mörtelwespe (Sceliphron curvatum): Hier können sich die in den Tönnchen befindlichen Larven in Ruhe entwickeln, bestens geschützt vor Nässe, Kälte und Feinden. Finden kann man sie unter anderem auch in Fensterrahmen oder an Vorhängen.


Jetzt, im Winter, entwickelt sich in den noch verschlossenen Töpfchen die Brut von 2024, also des Vorjahres. Auf einigen Bildern sind noch Reste der Puppenhüllen von geschlüpften Exemplaren vergangener Generationen zu erkennen.
Hinter diesen Kunstwerken steckt das Weibchen, mit einer Körperlänge von 13 bis 16 Millimetern. Damit zählt das auch als Asiatische Lehmtopfwese bekannte Insekt zu den eher grossen Grabwespenarten (Spheciformes).
Die erwachsenen Tiere (Imagines) findet man – abhängig vom Fundort – meist zwischen Anfang Juni und Ende Juli. Sie ernähren sich durch Blütennektar, ganz im Gegensatz zu ihren Larven, die sich karnivor ernähren, also fleischfressend.
Zuerst einmal sucht sich das Weibchen geeigneten Werkstoff für die Lehmtöpfe. Den Lehm dazu findet sie wie bei uns in reichlich, in stark lehmhaltiger Erde, am Rande von Lehmgruben, an Uferrändern usw.


Mit dem gesammelten Lehm fertigt sie dann anscheinend ohne Zugabe von Speichel diese hübschen Töpfchen. Aus diesem Grund, sollte der Baustoff bereits die geeignete Feuchtigkeit für die Verarbeitung aufweisen. Jedes Töpfchen benötigt für seine Herstellung – je nach Witterung und Materialangebot – etwa zwei Tage. Oft sind es insgesamt 5 bis 22, manchmal sogar mehr, bis zu 85 solcher Brutzellen!
Wie man auf unserem Dachboden gut feststellen kann, werden sie parallel, horizontal, wie auch vertikal aneinandergereiht.
Es ist verständlicherweise aufgrund des gewählten Baustoffes (Lehm) wichtig, dass die Nester an vor Nässe geschützten Stellen gebaut werden, ansonsten würden sie sich schnell auflösen.
In jedes Töpfchen wird noch bevor ein Ei darin gelegt wird, genügend «Proviant» für die später daraus schlüpfende Larve hineingeschafft: Tote Spinnen! Das können 8 bis 15 Stück pro Brutzelle sein.

Sichtet ein bereits begattetes Weibchen eine geeignete Spinne, so nähert es sich dieser im Sturzflug, versetzt ihr einen lähmenden Stich und trägt sie sofort in die Brutzelle. Das Lähmungsgift tötet die Spinne nicht sofort, sondern reduziert lediglich deren Kreislauf, infolge dessen der Sauerstoffverbrauch der noch immer atmenden Stimme ebenfalls reduziert wird. Doch sie bleibt bewegungsunfähig. Auf diese Weise haben die später schlüpfenden Larven stets «Frischfleisch» zur Verfügung. Als geeignete Spinne werden für die jagenden Weibchen zum Beispiel die Kürbisspinne, Grüne Krabbenspinne, Mauer-Zebraspinne oder die Spaltenkreuzspinne angesehen.

Übrigens: Wie es der Name der Orientalischen Mauerwespe bereits verrät, ist sie nicht heimisch sondern wurde erst ab Ende der 70-er Jahre das erste Mal in Europa gesichtet. In Österreich fand man das erste Exemplar 1979, 1995 gab es Funde in Slowenien «und aus dem westlichen Teil Ungarns und 1996 auch in Kroatien.» 1997 schliesslich gab es auch erste Sichtungen in Serbien und Bulgarien, während in Deutschland seit 2002 gelegentlich Funde in verschiedenen Bundesländern verzeichnet worden sind.
Ihr ursprüngliches Verbreitungsgebiet erstreckt sich von Indien und Nepal, bis nach Kasachstan.
Bis jetzt habe ich keine Quellen gefunden, die darauf hindeuten, dass die eingewanderte Art die heimischen Insekten auf irgendeine Weise bedrohen würde. Hingegen soll es eine Zahnarztpraxis gegeben haben, die Ausfälle von Apparategehäusen und elektronischen Leitungen darauf zurückführen konnte, dass in ihrem Inneren Brutzellen der Orientalischen Mörtelwespe angelegt worden seien.
Einen Tipp bekam ich noch von einem befreundeten Insektenkenner: Ich soll mich doch in der nächsten Nistsaison auf dem Dachboden auf die Lauer legen und die fleissigen Töpferinnen beim Nestbau beobachten. Dabei könne ich ein «summendes Vibrieren» vernehmen, welches sie beim «töpfern» von sich geben. Mal schauen, ob ich mich da tatsächlich mit der Taschenlampe «bewaffnet» auf die Pirsch begebe.
Benutzte Informationsquellen: Wikipedia und ein befreundeter Insektenkenner

liebe gabriela
schöne bilder… ich gehe davon aus, dass du
„ Souvenirs Entomologiques“ von jean-henry fabre
kennst, 10 bände über genau solche töpfereien und andere lebensweisen.. lbg stefan