Eiszeit in der wilden Waldschlucht

Eine Warmfront ist angekündigt, das hiess für mich: Vorher noch in die Waldschlucht hinabsteigen, bevor die ganze wunderbare Eispracht geschmolzen ist.

Kein ungefährliches Unterfangen und es gilt, alle Sinne zu benutzen, um allfälligen Gefahren rechtzeitig gewahr zu werden. Überall hörte man nämlich das Herabdonnern von gelösten, riesigen Eiszapfen und mit ihnen auch Gesteinsbrocken.

Leider sind die Bilder manchmal etwas verwackelt, da ich einerseits auf mich selber schauen musste – der Weg war vereist – und dann auch noch auf Ivar, damit er mir nicht in die eisigkalten Fluten abrutscht.

Das kurzzeitige Tauwetter lässt manchmal vor oder hinter mir Eiszapfen herabfallen, die dann mit einem Klirren wie Glas auf Stein aufschlagen, manchmal auch im Weg und mit ihnen gleich noch ein paar Gesteinsbrocken, die sich gelöst haben. Kein Ort, an dem man sich lange aufhalten sollte, das lehrte mich ja bereits der Grossvater und an diesem Tag, ja da hätte er mir wohl verboten, hinunterzusteigen.

Er lehrte mich bereits als kleines Kind, die Gefahren der Natur erkennen, denn die Natur ist letztlich unberechenbar. Ich bin mit dieser Schlucht von kleinauf vertraut, kenne ihre Landschaft wie einen Körper und auch die Anzeichen, wenn Gefahr droht.

In Folge von Starkregen beispielsweise, oder bei einem Temperaturanstieg im Winter bildet sich viel Schmelzwasser. Dieses unterläuft einerseits die Eisschicht, die sich eng, wie eine Haut, über die Felsen gelegt hat, aber auch die dünne Humusschicht auf dem glatten Sandstein. Durch dieses Wasser können Eis- und Felsbrocken losgelöst werden und Humusschichten wie Teppiche mitsamt dem Bewuchs (selbst Bäumen) ins Rutschen kommen.

Auch ein schwerer, messerscharfer, abgebrochener Eiszapfen, der auf den Kopf herabfällt, wäre der Gesundheit nicht wirklich zuträglich.

Also hielt ich mich so kurz wie möglich in der Schlucht auf, in der es übrigens vor gar nicht allzu langer Zeit zwei Abbrüche gab, wobei der zweite einem Felssturz von über 500 Tonnen entsprach. Gut, dass da grad niemand unterwegs war.

Es war ein regnerisch trüber Tag gestern, der die meisten wohl kaum richtig dazu animiert hätte, nach draussen zu gehen. Doch auch dieser Tag hat wieder gezeigt, wieviel man doch in der Natur erleben kann, bei jedem Wetter, zu jeder Jahreszeit, wenn man sich mit dem, was einem umgibt, verbindet: Da war gestern zum Beispiel die kleine Tannenmeise, die beinah auf meinen dargebotenen Arm als Landestelle geflogen war (ohne, dass ich Futter angeboten habe), oder das winzig kleine Wintergoldhähnchen, das die längste Zeit vor meinen Augen bis zu einer Distanz von einem Meter auf Tannenschnittgut herumgehüpft ist. Zudem hat mich gestern die ganze Zeit ein Schwarzspecht begleitet, ich hörte ständig seine beiden Ruflaute: das «Kliööööh» im Sitzen, und das ebenso laute «Grügrügrü» während des Fliegens.

Es folgt nun die Bildergalerie, mit den gestrigen Bildern aus der Waldschlucht, wild, lebendig und nicht nur wildromantisch sondern zuweilen auch gefährlich. Während gewisser Witterungsbedingungen sollte man die Sprache der Natur, ihre (Warn-)Zeichen, unbedingt zu lesen vermögen und sehr aufmerksam sein.

Auf meiner gleichnamigen Facebook-Seite findet Ihr noch ein 5-minütiges Video zu den Bildern, welches ich ebenfalls gestern aufgenommen hatte. Es ist leider zu lang, als dass ich es hier hochladen könnte. – Herzliche Grüsse, Gaby