Wer das Nagelfluhgestein nicht kennt, könnte auf den ersten Blick meinen, da habe jemand Geröll in Beton gegossen. Doch dem ist natürlich nicht so, sondern es handelt sich hier um ein Gestein, welches durch die Verfestigung von Flussschotter entstanden ist. Das Geröll, welches aus der Fluh (Felswand) herausschaut und der Nagelfluh zu ihrem Namen verholfen hat, erinnert an «Nagelköpfe» und in Alpennähe kann es sogar Kopfgrösse erreichen.
Ich liebe den Anblick von Moos bewachsener Nagelfluh; zierliche Streifenfarne und Glockenblumen verleihen ihr oft noch zusätzlichen Schmuck.
Nagelfluh flankiert über weite Strecken die in bis zu 100 Metern Tiefe dahinfliessenden Bäche in den Waldschluchten. Unsere Landschaft ist hier geprägt von solchen Einschnitten, welche die Kraft des Wassers im Laufe der Jahrtausende durch alle Erdschichten hindurch in die Tiefe gegraben hat.
Zudem finden sich in örtlichen, älteren Bergsturzregionen in den Wäldern riesige Nagelfluhfelsbrocken (Bild).
Mal abgesehen von der Nagelfluh, trifft man in den Schluchten aber auch auf Sandstein, der oft die relativ glatte Unterlage für einen dünnen, humusarmen Oberboden bildet (Bild). Dieser gerät nach Unterspülungen infolge starker Niederschläge nicht selten ins Rutschen und mit ihnen gleich der gesamte Bewuchs, inklusive Bäume. Dies war der Grund, warum mir mein Grossvater als Kind verboten hat, mit meiner Freundin nach langen oder heftigen Regenfällen in das Tobel hinabzusteigen, um dort zu spielen.
Im Bachbett können selbst grosse Felsbrocken verschoben werden, was auch kein Wunder ist, wenn man weiss, dass in unserem Tobel der Bach bei starken und langandauernden Niederschlägen bis zu 85 Kubikmeter Wasser pro Sekunde führen kann. Da hört man sein wildes Toben und Tosen bis weit hinauf, am Rand der Schlucht.
Nicht selten sieht daher das Gebiet, wenn ich nach ein paar Monaten wieder hinabsteige, vollkommen verändert aus: Humusschichten sind wie Teppiche mitsamt den Pflanzen – ja sogar Bäumen – in die Tiefe gerutscht und umgestürzte Bäume bilden neue Brücken über den Bach, während alte zerstört wurden.
An eisigen Wintertagen sind die Nagelfluhfelsen mit märchenhaft anmutenden Eiszapfen geschmückt, die wie Orgelpfeifen dicht nebeneinander stehen. Bei einer Erwärmung donnern die – oft riesengrossen – Zapfen dann mit einem lauten Donnern in die Tiefe. Nur gut, wenn man dann nicht darunter steht.
Überhaupt gilt es solchen, in jeder Hinsicht «lebendigen» Schluchten, Respekt zu zollen:
Bei einem solchen Anblick, Eissplitter oder/und Felsbrockenteile auf dem Weg, heisst es schnell die Beine unter die Arme nehmen und sich aus dem Staub machen, denn: Das sind Signale, dass die steilen Hänge in Bewegung sind, sei es durch die bereits erwähnte Unterspülung durch Wasser, durch Erwärmung (fallende Eiszapfen), oder durch Gefrieren von Wasser zwischen den Spalten, was ebenfalls zu Felsabbrüchen führen kann. Das habe ich von kleinauf gelernt: Wer sich in der Natur aufhält, muss ihre Sprache verstehen, ihre Signale zu deuten lernen, sonst kann es durchaus auch mal gefährlich werden.
Mit diesem Bild von hübschen Glockenblumen die eine Nagelfluh bewachsen, und einer anschliessenden Bildergalerie, wünsche ich euch allen von Herzen einen guten Start in die neue Woche!
Gaby Kistler
Liebe Gabi, herzlichen Dank für die immer wieder tollen Bilder und Texte dazu, die mich übers Jahr begleiten!
da ich lange im Bernbiet wohnte, sind deine Beiträge für mich auch ein Gruss aus meiner alten geliebten Heimat!
ich wünsche dir noch viele spannende Naturerlebnisse im neuen Jahr und uns Lesenden, viel Genuss an deinen Beiträgen.
Herzliche Grüsse
Sonja