Kürzlich lief ich entlang eines Waldrandes, als mir plötzlich ein sehr intensiver Blütenduft in die Nase stach. Den kenn› ich doch, dachte ich, aber auf meiner (geringen) Höhe sah ich keinen Strauch der blüht. Erst als ich ein paar Schritte rückwärts machte und nach oben schaute, sah ich ihn: einen grossen, blühenden Stechpalmenbaum (Ilex aquifolium).
Stechpalmen warten bezüglich ihres Geschlechts mit einer ganz speziellen Eigenartigkeit auf.
Stechpalmen sind «meist zweihäusig», steht in der Flora Helvetica. Doris Laudert schreibt in ihrem Buch «Mythos Baum» über die «unvollständige Zweihäusigkeit» Folgendes:
«Es gibt weibliche und männliche Bäume. Weil jedoch die weiblichen und männlichen Blüten noch reduzierte Organe des jeweils anderen Geschlechts besitzen, passiert es manchmal, dass sich auf weiblichen Pflanzen ohne Fremdbestäubung Früchte entwickeln.»
Einigen von euch dürfte die Stechpalme auch als (Stech-)Hülse bekannt sein. Wie bei allen langsam wachsenden Bäumen ist das Holz der Hülse für kleine Tischler- und Drechslerarbeiten sehr begehrt. Der Grund ist das gleichmässige, harte Holz, das auffallend hell bleibt. Deshalb war das Hülsenholz sehr beliebt für das Anfertigen von Intarsien (Einlegearbeiten). Damit die helle Farbe jedoch erhalten blieb, musst das Holz unbedingt im Winter geschlagen und noch vor dem Sommer verarbeitet werden.
Einst wurde das Holz der Hülse, respektive Stechpalme, auch für die Fertigung von Spazierstöcken oder Peitschenstielen verwendet. Nun, für beides haben wir hierzulange praktisch keine Verwendung mehr. Dafür aber für Besenstiele, Möbelfüsse, Schubladengriffe, nur ist dieses Holz heutzutage oft importiert, wir merken es nur meistens nicht, weil die (oft zweifelhafte) Herkunft leider häufig nicht deklariert ist.
Schade, dabei hätten wir so viele wertvolle heimische Baumarten. Insbesondere die anspruchslose Stechpalme vermehrt sich sehr gut und kommt gut mit milden, feuchten Wintern zurecht.
Übrigens: Solltet ihr euch gewundert haben, warum auf einigen Bildern die Stechpalmenblätter Stacheln haben und auf den anderen keine, es gibt dafür einen Grund:
Die Vorliebe des Wilds für die Stechpalmenblätter. Deshalb bildet die schlaue Stechpalme im unteren Bereich Stacheln aus, dort, wo das Wild hinkommt. In der Höhe jedoch sind die Stechpalmenblätter ohne Stacheln und erinnern damit eher an Kirschlorbeer. Auf diesem Bild sieht man es bei genauem Hinschauen: unten mit, oben ohne.