Laub- und Nadelstreu, als Unterlage für Mensch und Tier

Unter dem Titel «Waldnutzung unserer Vorfahren» schreibe ich in loser Folge über alte, in Vergessenheit geratene Waldnutzungsformen. Heute, der Jahreszeit entsprechend, zum Thema Laub- und Nadelstreue als Unterlage in Stall und Wohnhaus.

Verzeiht mir die dunkle Aufnahme. Sie entstand im Freilichtmuseum Ballenberg und zeigt einen Stall mit Laub als Einstreu, fotografiert in einem Bauernhof von 1621.

Blätter, aber auch Nadeln, wurden einst als Einstreumaterial für Tierställe gesammelt und diese Streunutzung war selbst im 20. Jahrhundert noch anzutreffen.

Dem Menschen von heute ist Falllaub meistens einfach nur noch lästig. Dabei war es doch einst ein so wertvolles Gut. So erwähnte Karl Kasthofer 1828 in seinem Lehrbuch «Der Lehrer im Walde», dass er im Berner Oberland nicht einen einzigen zugänglichen Buchenwald kannte, «der nicht vor seinem obersten Anfange bis an sein unterstes Ende ganz rein von Buchenlaub gewischt worden wäre«. Insbesondere in höheren Lagen, wo ein langer Winter den Anbau von Korn und damit die Nutzung von Stroh als Stallstreue verhinderte, waren die Baumblätter willkommener Ersatz. Und zwar nicht etwa nur für die Verwendung als Einstreumaterial für das Lager des Viehs.

Bettlaub – worauf unsere Vorfahren vor der Erfindung der Matratze schliefen

An dieser Stelle sei nun die Bettlaubnutzung erwähnt, eine spezielle Form der Streunutzung, vor dem Aufkommen der heutigen Matratzen. Dabei wurde gesammeltes Laub nicht als Einstreu für Ställe, sondern als Füllmaterial für Bettlaubsäcke verwendet. Erzählungen zufolge wurde vielerorts noch um 1950 auf Laubsäcken geschlafen, die alle zwei Jahre neu gefüllt worden sind. Es soll aber auch Regionen gegeben haben, wo sogar noch in den 1960-er Jahren vereinzelt Leute Laub zu diesem Zweck gesammelt hätten.

Am begehrtesten war hierzu das Buchenlaub, Eichenlaub weniger, warum auch immer und Nussbaumlaub war verständlicherweise wegen seines intensiven Geruchs aber auch wegen der langen, harten Stiele nicht beliebt. Es wurde ansonsten halt gerade das Laub verwendet, das lokal verfügbar war, das konnte auch Ahornlaub sein, oder aber Blätter von Birne und Apfel aus den Obstgärten.

Was den Zeitpunkt des Laubsammelns betrifft, so berichten Zeitzeugen, dass sich dieser insbesondere im St. Galler Rheintal jeweils nach dem Föhn gerichtet habe. Vor allem die Monate Oktober und November weisen häufig Föhnlagen auf. Dieses warme und trockene Fallwindphänomen beschleunigt einerseits den Laubabfall und trocknet gleichzeitig das begehrte Sammelgut. Als häufigster Zeitpunkt des Laubens wird Ende Oktober oder Anfangs November angegeben. Das Laub war so begehrt, dass man sich an den wenigen dazu geeigneten Tagen schon in der Früh als Familie, ausgerüstet mit Säcken und Besen sowie verschiedenen Transportmitteln, auf den Weg zu den besten Laubsammelplätzen gemacht hatte.

Kindern kam beim Lauben («Looba«) die Aufgabe zu, feine Ästchen aus dem Laub herauszulesen, damit diese später nicht den «tüüfä, gsundä Schlaf» störten. Derweil packten die Erwachsenen das Laub in Säcke, die in etwa Bettgrösse hatten, so, dass sie später in das Bettgestell passten. Diese Säcke «wanderten» also vom Wald direkt in die Bettstatt. Es wurden aber auch Säcke und Tücher mit Laub gefüllt, das später im Dorf in der Sonne oder auf Lauben (eine offene, überdachte Vorhalle an der Fassade) nachgetrocknet worden ist.

Oft wurde auch ein Teil der Säcke als Reserve, vor Mäusen geschützt entlang von Wänden aufgehängt. Damit dienten sich gleich auch noch als zusätzliche Isolation des Hauses.

Wie muss das fein gewesen sein, was für ein Freudentag, wenn man endlich die alten, mit tiefen Mulden versehenen Bettsäcke, deren Inhalt wohl so langsam am Zerbröseln war, durch frische, fein duftende Laubsäcke ersetzen konnte. Die seien am Anfang jeweils so hoch gewesen, dass manch eine/r einen Schemel benötigte, um sich darauf zur Ruhe legen zu können.

Um den Wald zu schonen und gleichzeitig das Laub gerecht zu verteilen, wurde das Sammeln von Laub reglementiert – von Ort zu Ort auf unterschiedliche Weise. So wurden der Kreis der berechtigten Personen, der Ort, die Sammelzeit sowie die erlaubten Werkzeuge eingeschränkt. Es wurde der Einsatz von hölzernen oder eisernen Rechen verboten und nur (weiche) Reisigbesen erlaubt. Um die verjüngenden Flächen zu schonen, die Keimung der jungen Bäume nicht zu zerstören, gab es auch räumliche Beschränkungen, Orte, wo nicht gelaubt werden durfte.

In einigen Gemeinden war das Laubsammeln lediglich für Ortsbürger gratis, Auswärtige mussten eine Taxe bezahlen. In Sennwald beispielsweise musste, wer Laub sammelte, sogar einen Ausweis dazu besitzen.

Wie eingangs bereits erwähnt, verlor mit dem Aufkommen der Matratzen das Bettlaub zunehmend an Bedeutung. Trotzdem konnten sich zum Beispiel Arbeiterfamilien, oder auch Bauern, lange keine Matratzen leisten und schliefen bis weit in die 1960-er Jahre auf Bettlaub. Insbesondere für kinderreiche Familien war es schwierig, sich Matratzen leisten zu können und so wurden zuerst einmal die Betten der Eltern mit modernen Matratzen ausgestattet.

Je nach Region wurden andere Materialien für Bettsäcke verwendet. Oberhalb der Baumgrenze zum Beispiel war es Farn, in tieferen Lagen Streu/Stroh, Rosshaare (nach der Schur von Brauereipferden beispielsweise), die Zittergras-Segge/Carex brizoides), Maisblätter/Maislaschen, Riedgras oder Seegras in der Nähe von Seen.

Ich persönlich habe übrigens als Kind noch auf Rosshaar-Matratzen geschlafen. Im Herbst durfte ich mit Grossvater jeweils in den Wald, um ein paar Jutesäcke mit Buchenlaub zu füllen, die stopften wir dann jeweils als Isolation unter die Dachbalken.

Im Rahmen einer Studie als Oral-History-Projekt, welches sich regional auf die «Buchenwaldgemeinden» des St. Galler Rheintals beschränkte, wurden Zeitzeugen in Interviews befragt: Es wurden zehn Oral-History-Interviews, zwölf Briefe, sieben Wirtschaftspläne, zwei Jahresberichte und zehn weitere schriftliche Dokumente analysiert. Aus diesem Grund weiss man heute noch viel über die einstige Nutzung des Laubes als Füllmaterial für Bettlaubsäcke.

Die meisten Informationen in diesem Beitrag entnahm ich dieser Studie, sowie von waldwissen.net Hinzu kommen Erzählungen von Seniorinnen und Senioren aus dem nahen Bekanntenkreis.

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