Klein und zierlich ist er, der Augentrost (Euphrasia officinalis), doch sein aus dem Griechischen stammender Gattungsname verheisst Licht und Freude und die können wir am heutigen nass-trüben Tag gut gebrauchen.
Ein Grund für mich, just heute euch diese grosse Heilpflanze der Alpen vorzustellen.
Die Verbindung dieses hübschen Kräutleins mit Licht und Frohsinn mag vielleicht daher kommen, dass, wer dank dieser kleinen, leicht übersehbaren Pflanze von einem Augenleiden befreit worden ist, wieder voller Freude sein kann.
Für ihre erwiesenen, guten Erfolge bei der Behandlung von allerlei Augenleiden ist der Augentrost ja bekannt. Die spezifische Verwendung für das Auge, ist wahrscheinlich auf die mittelalterliche Signaturenlehre zurückzuführen, in welcher in der Blüte eine Ähnlichkeit mit dem Auge gesehen worden ist.
So wird der Augentrost gemäss der Heilpflanzenbücher in der Homöopathie und in der Volksheilkunde bei Augenentzündungen, besonders der Augenbindehaut und des Lidrandes infolge von Katarrhen und bei Ermüdung der Augen durch Überanstrengung angewandt. Als Augentropfen, Augenbäder und Spülungen. Innerlich findet der Augentrost jedoch auch eine Anwendung bei Husten, Bronchitis, Schnupfen und Heiserkeit. Empfohlen wurde die Heilpflanze bereits im 12. Jahrhundert von der Heiligen Hildegard von Bingen.
Wer selber eine Auskochung von Augentrost macht, zwecks Lidrandpflege mit einem Wattebausch oder einem Augenbad mit einer Augenwanne, sollte unbedingt darauf achten, den Sud so gut wie nur möglich von Pflanzenrückständen zu befreien (abseihen durch ein ganz feines Tuch oder Kaffeefilter), sonst kann das Ganze wortwörtlich und im negativen Sinn «in’s Auge gehen». Kräuter Pfarrer Künzle empfiehlt, täglich frisches Kraut abzubrühen. Weiter schreibt er über den Augentrost Folgendes:
«Der Augentrost ist ein bescheidenes, 10 bis 15 cm hohes Pflänzchen mit eiförmigen Blättchen und weissen oder bläulichen kleinen Rachenblütchen, die ährenartig am Stängel stehen. Es ist ein Halbschmarotzer, also ein Pflänzchen, das ein bisschen auf anderer Pflanzen Kosten lebt. Da es nämlich gewöhnlich erst im August oder September erscheint, wäre ihm die Zeit zu karg gemessen, seine Aufbaustoffe aus der Erde zu ziehen. Es behilft sich damit, den pflanzlich schon vorverarbeiteten Stoff aus den Wurzeln anderer Pflanzen zu ziehen, in die es seine eigenen Wurzeln versenkt. Vom Augentrost kennt man in der Schweiz an die 23 Sorten; die besten sind in den Hochalpen zu finden.»
Will man den Augentrost trocknen und aufbewahren, muss die Trocknung möglichst schnell geschehen und es muss später bei der Aufbewahrung jegliche Feuchtigkeit ferngehalten werden. Das Kraut zieht Feuchtigkeit an und wird gerne schimmlig, vielleicht auch ein Grund, warum der Kräuterpfarrer Künzle empfiehlt, das Kraut wann immer möglich frisch zu verwenden. Auch schreibt er, dass, wenn zum «Augenweh» zusätzlich Magenverstimmung oder Kopfweh auftrete, der Augentrost beim Auge keine Linderung verschaffen könne (und ein Arzt aufgesucht werden muss.) Überhaupt ist mit Augenleiden nicht zu spassen und ich würde Augentrost nur bei den üblichen Augenreizungen/-Entzündungen zwecks Überarbeitung oder starkem Pollenflug anwenden.
Vielleicht begegnet ihr ja dieser alpinen Heilpflanze auf eurer nächsten Wanderung, sie blüht noch bis in den September hinein. Finden kann man den Augentrost in ungedüngten Wiesen bis auf 3000 Meter hinauf.
Und so sende ich euch allen da «draussen» mit der Euphrasia einen hellen, warmen Lichtschein an diesem trüben Tage. «Hebed en schöne Sunntig!» (Habt’s einen schönen Sonntag)