Die Samenschleuder vom Dienst

Aktuell können wir bereits jetzt blühendes Behaartes Schaumkraut (Cardamine hirsuta) entdecken. Gestern sah ich das erste neben schmelzendem Schnee.

Eigentlich aber hat der Volksmund für dieses Kraut einen viel treffenderen Namen gefunden: Garten-Springkraut. Es zählt nämlich zu den sogenannten «Saftdruckstreuern» und ist somit eine veritable Samenschleuder.

Diese Saftdruckstreuer unter den Pflanzen haben die Eigenart, ihre Samen explosionsartig in die Umgebung zu schleudern und damit sich auf sehr effektive Weise ihre Vermehrung zu sichern.

Die Wände der Samenschoten des Behaarten Schaumkrauts stehen kurz vor der Samenreife unter starkem Druck. Dieser wird durch das Anschwellen der Zellwände aufgebaut. Bei der geringsten Berührung springen sie auf und die Samen verteilen sich explosionsartig auf bis zu 1.40 Meter Entfernung.

Auf diesem Bild sind die länglichen Samenschoten gut sichtbar.

Ich brauche damit wohl niemandem zu sagen der gärtnert, dass es sich daher empfiehlt, diese Pflanze dort, wo man sie nicht haben möchte, frühzeitig, also VOR der Samenreife zu entfernen. Das Auszupfen geht leicht und danach darf das Jät problemlos in der Küche verwendet werden, am besten roh. Es schmeckt nämlich ähnlich pfeffrig-scharf wie Kresse. Den feinen Geschmack behält das Kraut jedoch nur vor der Blüte und zu Blühbeginn. Danach wird er zunehmend bitter und herb.

In meiner Kindheit der 60-er Jahre gab es diese Pflanze bei uns noch nicht. (Darüber bin ich im Nachhinein froh, denn ich musste oft in Grossvaters Garten jäten.) Nicht etwa weil es ein Neophyt wäre, also eine Pflanze, die erst nach 1500 in unser Gebiet gekommen ist, sondern weil sie damals ganz einfach noch sehr selten war. Erst etwa ab 1975 habe sie sich in Deutschland in milden Lagen explosionsartig auszubreiten begonnen. In der Schweiz, wo das Behaarte Schaumkraut genau so wie in Österreich häufig vorkommt, gibt es jedoch im Engadin bis heute keine Vorkommen.

Gemäss infoflora.ch, dem nationale Daten- und Informationszentrum der Schweizer Flora ist das Behaarte Schaumkraut ein sogenannter Archeophyt der bereits vor 1500 bei uns heimisch war. Doch kam es bis 1975, wie bereits erwähnt, eher selten vor. Infoflora bezeichnet diese Pflanze – genauso wie die «Flora Helvetica» als Vielstängeliges Schaumkraut. Was eigentlich sinnvoll erscheint, denn behaart ist das «Behaarte» Schaumkraut nun wirklich nicht in dem Masse, dass es erwähnenswert wäre. Für mich im Alltagsgebrauch ist Garten-Springkraut noch immer die treffendste Bezeichnung.

Da dieses Kräutlein aus benannten Gründen im Mittelalter noch nicht bekannt war, fehlt es in der alten Heilpflanzenliteratur. Zur Zeit jedoch befassen sich gemäss Rudi Beiser gleich mehrere Studien mit den pharmakologisch wirksamen Wirkstoffen des Behaarten Schaumkrauts. Es enthält wie alle Kreuzblütengewächse vor allem scharf schmeckende Senfölglykoside (Glucosinolate). Beiser schreibt weiter, dass in einer indischen Studie das Behaarte Schaumkraut mit dem in der indischen Volksmedizin sehr beliebten Braunen Senf (Brassica juncea) verglichen worden sei. Es wurde dabei Erstaunliches festgestellt: «Unser» kleines Jät enthält in Blättern und Samen «mehr als das Doppelte an Glucosinolaten.» Ferner konnten weitere wertvolle Inhaltsstoffe identifiziert werden, darunter Flavonoide, Gerbstoffe, Steroide, Alkaloide und Saponine. (Quelle: Rudi Beiser «Geheimnisse der Unkräuter – Heilkraft, Mythen, Ökologie» 2023)

Da kann man wohl nur einmal mehr sagen: «Klein aber Oho!!»

Dieses Bild stammt vom letzten Wochenende und zeigt blühendes Behaartes Schaumkraut neben letzten Schneeresten an einem Wegrain. Ein typischer Standort. Ihr werdet es sicher schon bald überall entdecken, manchmal übrigens auch leicht violett überlaufen. Und wenn es sich an unerwünschten Stellen im Garten zeigt, denkt daran: Samenschleuder! Frühzeitig jäten und am besten gleich verspeisen – natürlich nachdem man es zuvor gründlich gewaschen hat.

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