
Ich bin mit dem Blick auf die Alpen vom Osten bis in den Westen aufgewachsen. Ein Gipfel jedoch, der hat es mir schon in der Kindheit besonders angetan, das Vrenelisgärtli. Es ist ein sagenumwobenes Schneefeld, von dem mir bereits die Grosseltern erzählt hatten.
Das Vrenelisgärtli ist der 2900 Meter hohe, östlichste Gipfel des Glärnisch-Massivs.
Zu seinen Merkmalen zählt insbesondere das selbst in Sommermonaten hell leuchtende, weisse Schneefeld. Es heisst, man sähe es sogar von Zürich aus.
Und genau um dieses viereckige Schneefeld ranken sich seit jeher verschiedene Sagen. Eine davon lautet – frei aus dem Glarner Dialekt übersetzt – wie folgt:

Es war einmal eine übermütige Jungfer namens Vreni, die meinte, sie könne zualleroberst auf dem mittleren Glärnisch einen Garten anlegen. Die Leute warnten sie und meinten, man solle den Herrgott nicht herausfordern. Doch sie entgegnete darauf: «Und ietz guuhn i ztratz ufe, sig’s em Härrgott lieb oder leid» (Jetzt gehe ich grad zum Trotz, ob es dem Herrgott passe oder nicht).
Da nahm die Jungfer, ein bäumig starkes Mädchen, einen grossen kupfernen Sennenkessel und hob ihn über ihren Kopf um nicht nass zu werden, falls es zu schneien beginnt. Aber als sie oben angekommen war, begann es dermassen stark zu schneien, dass das Mädchen den Kessel wegen des Gewichts inzwischen gar nicht mehr vermochte herabzuziehen. Und so drückte der Kessel mit der Schneelast das Mädchen zu Boden und es wurde gänzlich eingeschneit. (Quelle: schwanden-gl.ch)
Noch immer sieht man auf dem Mittleren Glärnisch dieses auffallend viereckige, weisse Schneefeld, das die Leute das seit jeher Vrenelisgärtli nennen.

«Aus den Märchen des Alpenraums spricht ein grosser Respekt vor der Natur. Ein Bergler weiss, dass die Natur immer stärker sein wird als er. Wer sich ihr überlegen wähnt, den wird sie Demut lehren, denjenigen jedoch wird sie unterstützen, der sie schätzt und ihre Gesetze anerkennt.» Das schreibt Eva-Maria Wilhelm, Herausgeberin des Buchs «»Alpenmärchen – Geschichten und Sagen aus den Schweizer Bergen» so treffend in ihrer Einleitung.
Übrigens: Es gibt sogar eine Biersorte aus dem Glarnerland, die dem Vreneli und seinem Gärtli gewidmet ist: «Saagehafts usem Glarnerland – Vrenelisgärlti». Habe ich per Zufall mal in einem Restaurant entdeckt. Wer weiss, wer sich zuviel davon genehmigt, verfällt in einen tiefen Schlaf und träumt vom Vreneli, der übermütigen Jungfer und ihrem Gärtli.

Ich hab immer gehört wenn dort mal kein Schnee mehr liegt wirds schlimm für uns.
Heute wissen wir um den Klimawandel