
Man nennt ihn auch «Falsches Judasohr», weil er ihm ähnlich sieht und auch sonst so manche Eigenschaft mit ihm teilt: Der Gezonte Ohrlappenpilz (Auricularia mesenterica).
Wie sein Verwechslungskandidat, das Judasohr (Auricularia auricula-judae), bildet dieser Pilz das ganze Jahr Fruchtkörper, bei entsprechenden Temperaturen auch im Winter.
Während auf meinem Holunderbaum seit vielen Jahren Judasohren wachsen, habe ich diese Gezonten Ohrlappenpilze bei der Nachbarin erst kürzlich entdeckt. Sie wachsen bei ihr auf einer Blutbuche (Bild in der Galerie).
Dieses Bild entstand beim ersten Besuch, vor etwa zwei Wochen, während einer langen Trockenphase. Es zeigt, wie sich die Pilze bei mangelnder Feuchtigkeit zusammenziehen. Diese Eigenschaft teilen sie mit dem Judasohr. Beide Pilzarten sind denn auch sehr trockenresistent und überstehen selbst längere Trockenphasen problemlos.


Ich war neugierig, wie die Pilze wohl aussehen, nachdem sie wieder Feuchtigkeit aufnehmen konnten und meldete mich nach intensivem Regen und Schneefall bei der lieben Nachbarin nochmals auf einen Besuch an.
Die Überraschung war gross, als ich sah, wie unterschiedlich jetzt dieselben Pilze aussahen: Die Feuchtigkeit liess sie förmlich aufquellen, so, wie ich das auch von «meinen» Judasohren auf dem alten Holler her kenne. Man vergleiche dazu die Bilder, was für ein Unterschied in Form und Farbe!
Es gibt noch eine weitere Gemeinsamkeit der beiden Ohrlappenpilze (Auricularia): Der abgebildete Gezonte Ohrlappenpilz ist wie das Judasohr ebenfalls ein Schwächeparasit. Beide gelten als Weissfäuleerreger und sind somit für den Ligninabbau im Holz zuständig.
Im Gegensatz zum Judasohr, das häufig auf Holunderholz zu finden ist, gab es bis jetzt vom Gezonten Ohrlappenpilz noch keine notierten Funde auf Holunder. Er besiedelt hauptsächlich Laubbäume wie Pappeln, Eschen oder Buchen, letztere vor allem in höheren Lagen.


Es gibt Quellen, da steht geschrieben, dass der Gezonte Ohrlappenpilz auf Totholz vorkomme. Ein Gedeihen auf lebenden Bäumen wird nicht erwähnt.
Diese Pilze hier aber sind der Beweis, dass sie nicht nur auf Totholz vorkommen, sondern durchaus auch auf lebenden Bäumen. Wie putzmunter diese Blutbuche im Sommer aussieht, seht ihr in der anschliessenden Bildergalerie. Möglich wäre jedoch, dass einige Stellen am Baum, die grosse, alte Schnittstellen aufweisen, allfällig für Krankheitserreger sind.
Beim frischen Pilz, so, wie er hier zu sehen ist, ist die Konsistenz gallertfleischig-knorpelig und sehr elastisch. Beim Judasohr hingegen ist die Oberfläche glatt, was ihn vom hier gezeigten Gezonten Ohrlappenpilz gut unterscheiden lässt. In der Bildergalerie findet ihr als Vergleich auch noch ein Bild eines Judasohrs.
Wikipedia schreibt zum Gezonten Ohrlappenpilz: «Kein Speisepilz; tritt als Schadpilz nicht in Erscheinung.»


Obwohl beide, der hier gezeigte Gezonte Ohrlappenpilz, wie auch das Judasohr, als Weissfäuleerreger gelten, scheint es meinem alten Holunder auch nach vielen Jahren «Wohngemeinschaft» mit den Judasohren, noch immer sehr gut zu gehen: Er treibt jeden Frühling kraftvoll aus und trägt im Herbst reichlich Früchte. Möge dieses Glück auch der Blutbuche vergönnt sein, sie ist ein wunderschöner Anblick mit ihrem dunkelroten Laub.


