
Spätestens ab Anfang April bin ich – sofern es nicht grad in Strömen regnet – wieder mehr oder weniger den ganzen Tag draussen am Arbeiten. Dabei gibt es oft spannende Begegnungen und Neuentdeckungen.
Irgendwas hat kürzlich meinen Arm als Landeplatz benutzt und so im ersten Seitenblick dachte ich, es sei eine Wespe. Beinah hätte die Täuschung funktioniert.
Ich musste mir diesen Käfer, der auf Wespe macht, zuerst bestimmen lassen, da wir beide bis jetzt noch nicht Bekanntschaft gemacht haben.
Es handelt sich um den Echten Widderbock (Clytus arietis), der – wie fast alle Bockkäferarten – gemäss Bundesartenschutzverordnung in Deutschland geschützt ist. Auch bei uns in der Schweiz ist er geschützt, wird jedoch nicht als besonders gefährdet eingestuft.


Auffällig sind seine wespenähnliche, schwarz-gelbe Farbgebung auf Halsschild und Flügeldecken sowie die rotbraunen Beine. Auch von der Grösse her ist er leicht mit der Wespe zu verwechseln.
Die Larven des Echten Widderbocks entwickeln sich zweijährig, in trockenen Ästen verschiedener Laubholzarten und fressen sich ins Totholz hinein. Von den ausgewachsenen Käfern (Imagines) heisst es, sie bewegen sich sehr hektisch und schnell, da hatte ich ja Glück, ist mir dieses Exemplar auf meinem Arm so geduldig Modell gesessen.
Die Käfer ernähren sich von Pollen, gerne von Doldenblütlern aller Art, aber auch von Weissdorn. Finden kann man sie von Ende April bis Juni zudem auf Holzstapeln und abgestorbenen Laubbäumen. Da hat ihn wohl unser Totholz im Garten angelockt, namentlich der vermodernde Apfelbaum.
Der Echte (oder Gemeine) Widderbock gehört zu jenen Insekten, die in ihrem Äusseren bewusst auf Wespe machen, wie zum Beispiel die Wespenspinne. Viele seiner Fressfeinde haben bereits negative Erfahrungen mit diesem äusserst wehrhaften Insekt gemacht, weshalb er sich mit einem ähnlichen Aussehen schmückt. Es soll Feinde warnen und abschrecken.


Diese Form der Nachahmung, sei es in Aussehen, Geruch, Geräuschen oder Verhalten, nennt man in der Biologie Mimikry. Unterschieden wird dabei zwischen einer Schutz-Mimikry, wie im vorliegenden Fall der Wespenvortäuschung, die zum Ziel hat, sich vor dem gefressen werden zu schützen. Einer solchen Schutz-Mimikry bedient sich auch der hier gezeigte Gefleckte Schmalbock (Leptura maculata), der ebenfalls mit gelb-schwarzen Wespenfarben abschrecken will.
Dann gibt es noch die Lock-Mimikry, mit deren Imitation zum Beispiel eine Bestäubung erreicht werden will. Ein gutes Pflanzenbeispiel hierfür ist der gestern hier vorgestellte Frauenschuh (Cypripedium calceolus). Er lockt mit seinem Äusseren Insekten an, ohne dass er ihnen Nektar anzubieten hätte, lediglich um sie zu fangen und zur Bestäubung zu zwingen.