Der Aronstab hisst wieder sein Segel

Er gehört für mich zu den absolut interessantesten, einheimischen Wildpflanzen: Der Aronstab (Arum)

Zu Unrecht bezeichnet man ihn mancherorts hie und da als «fleischfressenden Pflanze», so fies ist er nicht. Aber er hat eine ausserordentlich ausgefeilte Technik, wie er mit den Insekten umgeht, damit er zu seiner Bestäubung kommt:

Der Aronstab gehört zu den Kessel-Gleitfallenblumen. Aus seiner segelartigen Blüte strömt allabendlich ein unangenehm nach Urin duftendes Geschmäckle. Dieses lockt die «Abortfliege» an, oder netter ausgedrückt, die Schmetterlingsmücke, deren Larven hauptsächlich in stinkenden Abwässern und Fäkalien leben. In der Hoffnung, hier einen geeigneten Platz für ihre Eiablage zu finden, fliegt sie in die Blüte und gleitet sogleich wie auf einer Rutschbahn an der inneren Wand entlang in die Tiefe des Kesselbodens. Diese Wand ist deshalb so glitschig, weil sie mit vielen winzigen Öltröpfchen belegt ist. Im Innern produziert die Pflanze nun so viel Wärme, dass die Temperatur nicht selten um 25 Grad höher liegt als draussen in der kühlen Frühlingsnacht.

In dieser beheizten Blüte dürfen nun die «gefangenen» Insekten übernachten. Die Pollen, die sie bereits von anderen besuchten Aronstabblüten mitgebracht haben, bleiben dabei an den weiblichen Blüten zur Bestäubung hängen. Gleichzeitig werden sie mit neuen Pollen bepudert und zwar von den Staubbeuteln, die in der Nacht aufplatzen. Am nächsten Morgen dann erschlafft das Blütensegel und das Insekt kann mühelos sein Gefängnis wieder verlassen. Mit neuen Pollen «bestückt» wird die Schmetterlingsmücke zur nächsten Blüten fliegen und eine weitere kühle Frühlingsnacht in einer beheizten Blütenfalle verbringen. Wie ihr seht, wird da niemand gefressen, im Gegenteil, die Bestäuberinnen dürfen ganz exklusiv eine Nacht mit Zentralheizung verbringen.

In der Schweiz gibt es zwei Aronstab-Arten. Der häufigste ist der Gefleckte Aronstab (Arum maculatum), wobei seine Blätter gar nicht immer so offensichtlich gefleckt sind. Oft sehen sie so aus wie auf dem Bild, uni grün. Am ehesten findet man ihn in Laubmischwäldern. Im südlichsten Teil der Schweiz, im Tessin, findet man den Italienischen Aronstab (Arum italicum) mit seinen wunderbar geaderten grün-weissen Blättern. Er stammt ursprünglich aus dem Mittelmeergebiet und wird wegen seiner dekorativen Blätter oft auch in Gärten angebaut (Arum italicum «Pictum»). Ich bin mit ihm aufgewachsen und habe als Kind trotz seiner allgegenwärtigen giftigen roten Beeren überlebt. Man kann nie genug früh lernen mit Giftpflanzen umzugehen.

Hier noch die typisch grün-weiss geaderten Blätter des Italienischen Aronstabs (Arum italicum). Wenn wir ihn ausserhalb des Tessins finden, dann höchstens weil er über Grüngutdeponien in die nördlichen Wälder gelangt ist. Ein «Gartenflüchtling» also, der nun munter die neuegewonnene Freiheit geniesst.

Bleibt noch zu erwähnen, dass es sich beim Aronstab um ein in allen Teilen giftiges Gewächs handelt. Ich weiss, dass ihn hierzulande die älteren Generationen in Gebranntem zu allerlei äusserlichen Zwecken angewendet haben, aber von solchen Experimente rate ich dringend ab.

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