Eine befreundete, betagte Kräuterfrau erzählte mir kürzlich, dass sie ein Augenleiden habe und einen weiten Weg auf eine Alp auf sich genommen habe, um an einer ihr bekannten Stelle Augentrost zu sammeln.
Das erinnerte mich daran, endlich mal wieder einen Beitrag über dieses kleine Kräutlein zu schreiben, dass doch eine so grosse Heilpflanze ist.
Noch bis im Oktober erfreut uns der Augentrost (Euphrasia) auf Wiesen, Weiden und Flachmooren, mit seinen wunderschönen Blüten. Sie sind weiss, violett gestreift, oft mit lila Oberlippe und einer Unterlippe mit gelbem Fleck und gelbem Schlund. Letzterer soll wohl den Bestäubern den Weg weisen.
Da die verschiedenen Augentrostarten gerne untereinander hybridisieren, gibt es zahlreiche, schwer unterscheidbare Arten und Unterarten. Am besten ist wohl der hier abgebildete Wiesen-Augentrost (E. rostkoviana) und der auffällig blaulila/rosa blühende Alpen-Augentrost (E. alpina) zu bestimmen. Letzterem bin ich leider noch nie begegnet.
Der Gattungsname Euphrasia entstammt dem Griechischen und bedeutet so viel wie Wohlbefinden, Freude oder Frohsinn. Dies deutet wohl auf die Empfindungen hin, die ein Mensch nach einer erfolgreichen Behandlung seines Augenleidens mit Augentrost erfahren darf. Den Hinweis, dass es diese Fähigkeit besitzt, leitete der Mensch bereits im Altertum und im alten China aufgrund der Lehre von Signaturen ab. So sollen die Blüten des kleinen Rachenblütlers an ein triefendes Auge erinnern. Ergo wurden seit alten Zeiten Augenleiden (Bindehautentzündungen, Gerstenkörner und anderes) mit einem Augenbad mit Augentrosttee behandelt. Noch heute bietet beispielsweise Weleda viele Augentrost-Produkte an.
Auch der Schweizer Kräuterpfarrer Künzle erwähnt den Augentrost in seinem wohlbekannten Büchlein «Chrut und Uchrut» den Augentrost:
«War schon vor Christi Geburt bekannt als ausgezeichnetes Mittel zur Stärkung der Augen. Die Alten sotten ihn mit Wein und tranken ihn regelmässig vor dem Schlafen gehen….Kneipp empfiehlt das Kräutlein auch für den Magen.»
Auch Künzle erwähnt bereits 1949, dass es 19 verschiedene Arten gäbe, «deren alpinen die kräftigsten sind.» So, wie eigentlich alle im alpinen Raum gewachsenen Heilpflanzen kräftiger sind, als die im Flachland.
Bis jetzt habe ich den Augentrost eigentlich nur in den Alpen angetroffen. So entstanden diese Bilder in den Walliser Alpen sowie im Karwendelgebirge Österreichs. Es heisst, man könne ihn bis weit hinauf, an der Grenze zu den Gletschern, antreffen. Eines Tages aber tauchte der Augentrost zu meiner grossen Freude auch in unseren Wiesen auf, nur leider konnte er sich nicht etablieren und verschwand wieder. Wer weiss, vielleicht kommt er ja eines Tages zurück.
Kann den Grund nicht wirklich benennen, aber dieses Pflänzlein ist für mich ein wahrer Lichtbringer, vielleicht durch die Freude, die mir der Anblick seiner Anwesenheit verschafft. Damit muss ich nicht alleine sein, ist doch ein Trivialname für Augentrost «Lichtkraut», daneben existieren noch Augendank, Augustinuskraut, Grummetblume, Milchschelen, Wegleuchte, Weihbrunnkessel, Wiesenwolf und der von Künzle erwähnte Augstenzieger.
Übrigens: Der Augentrost ist ein Halbschmarotzer, der mit seinen Saugwurzeln vor allem die Wurzeln von Gräsern anzapft und ihnen Wasser und Nährsalze entzieht. Er kann jedoch auch genauso gut leben, ohne zu parasitieren, was ihn von anderen Halbschmarotzern unterscheidet.