
Wer von euch in den Sommerferien die angenehme Frische des Hochgebirges aufsucht, wird ihr vielleicht begegnen, der Arve, «Königin der Alpen«, auch bekannt als Zirbelkiefer oder Zirbe (Pinus cembra).
Der wunderschöne Hochgebirgs-Nadelbaum ist äusserst zäh und kann sehr alt werden, bis zu 1000 Jahre. Da ist die abgebildete Zirbe, mit ca. 290 Jahren, geradezu jung. Sie stand hier bereits zur Zeit der Thronbesteigung Kaiserin Maria Theresias im Jahre 1740! Darauf weist ein Schild hin; ich fotografierte sie in den Tiroler Alpen.
Arven müssen im Lauf ihres langen Lebens viel aushalten: Ast- und Wipfelbrüche durch Wind, Blitzeinschlag oder schweren Nassschnee, Lawinen und Steinschlag. Kein Problem, sehr schnell übernehmen Ersatztriebe die Führung und so entstehen Bäume mit mehreren Wipfeln, sogenannte «Kandelaber-Arven». Das Bild zeigt eine solche Kandelaber-Arve, wie ein Kobold steht sie da, mit ihrem weit aufgerissenen Maul.
Da ihre Äste sehr elastisch und biegsam sind, mögen sie viel Schnee aufzunehmen. Somit erfüllt die Arve eine wichtige Funktion im Schutzwald.


Schon immer waren Arven ein wichtiger Bestandteil von Schutzwäldern. Solche bestehen idealerweise als geschlossener Wald, mit einer guten Durchmischung verschieden alter Bäume. Sie halten den Schnee in den Baumkronen und am Boden fest und stabilisieren Lawinen. Lawinen die jedoch oberhalb der Waldgrenze abbrechen, kann auch ein intakter Schutzwald meist nicht abfangen.
Dieses Bild entstand Ende Juni, auf ca. 2000 Metern Höhe und zeigt Überreste eines Lawinenabgangs.
Ein Baum, der im Gebirge auf Höhen zwischen 1300 und 2800 Metern jahraus jahrein Wind und Wetter ausgesetzt ist, benötigt besonderen Halt. Zu Beginn bildet die Arve eine Pfahlwurzel aus. Verstärkt wird die Standfestigkeit im Lauf der Jahrzehnte durch sogenannte Ankerwurzeln, die vor allem bergseitig in Gesteinsspalten eindringen.


Ein Gebirgswald ist auch Wind-, Schall- und Temperaturschutz.
Die Windbremsung durch den Wald verhindert Abtragung und Aushagerung (Reduzierung von Nährstoffen) des Bodens, vermindert die Verdunstung, verzögert die Schneeschmelze. Als Schallschützer vermittelt er dem lärmgeplagten Menschen zudem Ruhe und Erholung.
Als Temperaturausgleicher – im Sommer kühler, im Winter wärmer als das Freiland – wirkt der Wald auch regulierend.
Nun aber zurück zur «Königin der Alpen», wie die Zirbe zu Recht genannt wird. Ein typisches Merkmal sind die buschigen Nadeln, fünf in einem Quirl.
Wer das Glück hatte, sich einmal in einem mit Arvenholz getäferten Raum aufhalten zu können – vielleicht beim Besuch einer Alpwirtschaft – weiss um die einzigartige Ausstrahlung des Arvenholzes und seinen wunderbaren Duft. Ergänzt wird das altbekannte Wissen um die besonderen Eigenschaften des Arvenholzes nun auch durch die Bestätigung von wissenschaftlichen Studien:


Viele positive Auswirkungen von Zirbenholz konnten durch empirisch wissenschaftliche Analysen des Joanneum Research (Institut für Nichtinvasive Diagnostik, Weiz) nachgewiesen werden.
Zirbenholz wirkt beruhigend auf den Organismus und hat messbare positive Auswirkungen auf Kreislauf und Wohlbefinden.
Das Holz ist bekannt dafür, dass es den Schlaf und somit die Erholung in der Nacht verbessert. Die Wirkung wird durch das Zusammenspiel verschiedener Inhaltsstoffe, vor allem des Alpha-Pinens, das in hoher Konzentration im ätherischen Zirbenöl enthalten ist, sowie durch die besondere Holzstruktur hervorgerufen.
Auch ich schlafe übrigens umgeben von Kissen, gefüllt mit Arvenholzspänen. Wenn sie nicht mehr duften, lege ich sie einfach bei feuchtem Wetter an einem geschützten Ord nach draussen und «lade» sie auf, danach duften sie wieder himmlisch.


Übrigens sind auch die violetten Zapfen der Arve eine Augenweide. Manchmal hat man Glück und ihre Abnehmer, die Tannenhäher, lassen mitunter einen herunterfallen, währenddem sie ihn bearbeiten, um an seine begehrten Nüsschen zu kommen. Diese, noch unreifen Zapfen, legt man dann in Hochprozentigen ein, ergänzt mit Gewürzen und später mit Zucker und erhält einen sehr gesunden Zirbenlikör. Eine Spezialität, die man in den Alpenregionen erwerben kann. Wie übrigens auch alle anderen Zirbenholzprodukte (Späne, Betten, etc.)
Ihr merkt es, ich bin ungemein angetan von diesem Hochgebirgsbaum. Tatsächlich ist er mein absoluter Lieblingsbaum, er war mir zeitlebens ein Vorbild punkto Überlebenswillen, nicht aufgeben, Zähigkeit, psychischer Kraft und Ausdauer. Beim Menschen würde man heutzutage von einer unglaublichen Resilienz sprechen.
Es gehört für mich zum Schönsten, im Sommer in den Arvenwäldern bei sonnigem Wetter ihren wunderbaren feinen Duft einzuatmen, die ätherischen Öle, die durch die Wärme freigesetzt werden.


Zum Portrait der Arve gehören unweigerlich auch ein paar Worte zum Tannenhäher (Bild von von Danielle Vorburger ZVG).
Denn überall wo es Arven hat, sind auch die Tannenhäher (Nucifraga caryocatactes) zugegen. Man hört ihr schnarrendes «Kerr-Kerr» oft von Weitem. Nucifraga heisst Nussbrecher und deutet auf die Vorliebe dieses Vogels für die Nüsschen der Arvenzapfen hin. Damit sorgt er für die Verbreitung des Baumes, da er diese in Vorratskammern bunkert und zuweilen dann nicht mehr findet. Natürlich mag er auch andere Nüsse, wie beispielsweise Haselnüsse. Die holt er im Herbst aus dem Tal in die Bergwälder und vergräbt sie dort ebenfalls als Wintervorrat.
Nun wünsche ich euch viel Freude beim Betrachten der vielen Arven-Bilder in der Galerie und wer weiss, vielleicht begegnet ihr ihr ja in diesem Sommer und seid genauso fasziniert von dieser Überlebenskünstlerin wie ich.
Gaby Kistler


















